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Ford - Wir tun auch was

,,Kundenzufriedenheit durch kürzere Lieferzeiten``, mit diesem Ziel startete die Firma Ford das Projekt ,,Order to Delivery`` zur Neustrukturierung der gesamten EDV-technischen Auftragsbearbeitung. Angefangen von der Prognose zukünftiger Auftragsbestände über die Erfassung bis hin zur Abwicklung der Aufträge wurden alle Schritte neu konzipiert. Für die Produktionssegmentierung, bei der jeder Bestellung ein optimales Produktionsdatum zugeordnet wird, wurde das später umgesetzte Konzept von unserer Arbeitsgruppe entwickelt. Bereits in der Vergangenheit gab es bei Ford ein System, das Fahrzeuge so in die Werke einsteuerte, daß verschiedene Verkaufsdistrikte und Händler regelmäßig mit Neuwagen beliefert werden konnten. Nicht berücksichtigt wurden dabei jedoch viele der Restriktionen, die sich aus der Produktion in den Werken und insbesondere bei den Zulieferern ergaben. Hierin lag noch ein großes Optimierungspotential, das durch den Einsatz von linearer Programmierung erfolgreich erschlossen werden konnte.


 
Abbildung 1.4: Model T-Produktion bei Ford zu Beginn des Jahrhunderts.
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Mehrere Monate vor dem eigentlichen Produktionstermin werden von den Landesorganisationen Prognosen für den zukünftigen Auftragsbestand erstellt. Auf Basis dieser Daten wird dann eine Ressourcenzuordnung zu den einzelnen Märkten vorgenommen und es werden Bestellungen bei den Zulieferern abgegeben. Ressourcen sind zum Beispiel einzelne Bauteile, wie Fahrgestelle, Motoren oder Sonnendächer. Die realen Auftragsdaten gehen erst wenige Wochen vor dem Produktionstermin ein. Sie bestehen aus Kombinationen der einzelnen Bauteile, das heißt, es wird ein Fiesta mit Sonnendach und anderen Ausstattungsmerkmalen bestellt. Ziel der Optimierung ist nun neben der Auslastung der Produktionskapazitäten eine möglichst hohe Übereinstimmung der Prognosedaten mit den Ergebnissen der realen Produktionsplanung. Dabei muß garantiert sein, daß bei keinem Produktionsschritt die vorhandenen Kapazitäten überlastet werden.

Für jeden Produktionstag muß also eine Menge von Aufträgen gefunden werden, so daß ein geeigneter Bauteilmix entsteht. Die produktionsbedingten Restriktionen lassen sich in der Regel durch obere Schranken für einzelne Komponenten sinnvoll abbilden. Daraus wurde ein lineares Modell entwickelt, dessen Zielfunktion die vorgegebenen Optimierungskriterien widerspiegelt. Mit diesem Ansatz kann für jeweils einen Monat eine gute Segmentierung errechnet werden. Nachträglich eingehende Bestellungen aber auch die unvermeidlichen Störungen des Produktionsablaufes machen es allerdings notwendig, in regelmäßigen Abständen neu zu planen. So kann es z. B. immer zu Lieferengpässen bei Zulieferern oder auch zu Streiks unter den LKW-Fahrern kommen. In diesen Situationen soll der neu berechnete Plan sich möglichst wenig von dem ursprünglichen Plan unterscheiden. Die Händler sind so in der Lage ihren Kunden frühzeitig den voraussichtlichen Auslieferungstermin für das von ihnen bestellte Fahrzeug mitzuteilen. Diese Forderung nach Planungsstabilität macht es notwendig, den Ansatz zu erweitern, es ist aber möglich, auch dies als lineares Programm zu modellieren.

Das Konzept wurde zunächst an unserem Institut testweise implementiert und anhand von Beispieldaten für die europäische Fiestaproduktion auf seine Tauglichkeit überprüft. Es zeigte sich, daß mit dem neuen Modell die Planungssicherheit deutlich erhöht werden konnte, was sich in erheblichen Kostenersparnissen niederschlägt. Daneben bietet die Verwendung linearer Programme viele praktische Vorteile, da zu ihrer Lösung etablierte Standardsoftware zur Verfügung steht. Es konnte insbesondere durch den Einsatz von Mixed-Integer-Solvern erreicht werden, daß in fast allen Fällen optimale ganzzahlige Produktionsvorgaben errechnet werden können. Inzwischen wird das auf dem neuen Ansatz basierende Planungstool für nahezu alle europäischen Produktionsstätten mit Erfolg eingesetzt.

In der praktischen Arbeit mit dem Segmentierungstool zeigte sich, daß die für den Datentransfer und die Datenkonvertierung notwendige CPU-Zeit merklich größer ist, als die für die eigentliche Planung benötigte Laufzeit. Auch hier gab es die Möglichkeit, durch den Einsatz mathematischer Methoden deutliche Zeitersparnisse zu erreichen. Die einzelnen Ausstattungsmerkmale der Bestellungen sind durch logische Ausdrücke codiert, die effizient ausgewertet werden müssen. Hierzu haben wir ein Programm entwickelt, das im kommenden Jahr in den Prozess integriert werden soll.


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1999-07-28