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Polyedrische Beschreibungen von Reihenfolgeplanungsproblemen

Reihenfolgeplanungsprobleme behandeln die optimale Zuweisung von Aktivitäten an knappe Ressourcen im Zeitablauf. Aktivitäten können Arbeitschritte an einem Werkstück, Instruktionen in einem Computerprogramm, Verfahrensschritte in chemischen Prozessen usw. sein. Ressourcen sind etwa die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeiter oder Werkbänke, Anzahl der Prozessoren, Hauptspeicherangebot, Betriebsmittel usw. Die Zuweisung von Aktivitäten im zeitlichen Ablauf wird durch einen Reihenfolgeplan (,,Schedule``) festgelegt. In einem Reihenfolgeplan wird jeder Aktivität ein oder mehrere Zeitintervalle auf einer oder mehreren Maschinen bzw. Ressourcen zugewiesen. Ein Reihenfolgeplan ist zulässig, wenn alle Nebenbedingungen eingehalten werden. Die Optimalitätskriterien können unterschiedlicher Natur sein, wie die Minimierung der Gesamtlaufzeit, die Minimierung der Summe der individuellen Fertigstellungszeiten (Durchlaufzeit), das Einhalten vorgegebener Fertigstellungszeiten usw.

Seit den fünfziger Jahren werden Reihenfolgeplanungsprobleme im Gebiet des Operations Research untersucht. Nicht nur die große Fülle an industriellen Anwendungen (siehe z.B. Abschnitt gif) macht diese Fragestellungen interessant. Aus der Sicht des Wissenschaftlers bietet sich eine unüberschaubare Vielfalt leicht zu beschreibender, aber bereits für kleine Instanzen sehr schwer zu lösender Aufgaben dar. Eine theoretisch befriedigende Erschließung des gesamten Gebietes der Reihenfolgeplanung ist bisher nicht gelungen, selbst die Anpassung von Standardverfahren (Dynamische Programmierung, Branch-and-Bound usw.) zur Lösung von Spezialfällen ist nicht einfach, was die Vielzahl an Publikationen dazu belegt.

Scheduling-Probleme lassen sich auf verschiedene Weisen als Probleme mit Ganzzahligkeitsrestriktionen auffassen. Diese Ganzzahligkeitsbedingungen erschweren i.a. das Finden einer optimalen Lösung. Für die Anwendung von Verfahren der ganzzahligen Linearen Optimierung auf Scheduling-Probleme -- die in jüngster Zeit verstärkt untersucht werden -- ist eine problemadäquate und verfahrensgeeignete Modellierung entscheidend. Um mit Hilfe von Methoden der polyedrischen Kombinatorik ein Optimierungsproblem tex2html_wrap_inline3550 über einer Menge tex2html_wrap_inline3552 von Reihenfolgeplänen zu lösen, ordnet man jedem Reihenfolgeplan L einen Vektor x(L) im tex2html_wrap_inline3558 (für geeignetes n) zu und studiert dann die konvexe Hülle tex2html_wrap_inline3562 der derart gebildeten Vektoren:
displaymath3548
Die Suche nach linearen Beschreibungen dieser Polyeder ist einer der wichtigsten Schritte für die Anwendung von Verfahren der ganzzahligen Linearen Optimierung. Vollständige lineare Beschreibungen, d.h. die Beschreibung des Polyeders nur durch lineare Ungleichungen, ermöglichen oft die polynomielle Lösbarkeit des untersuchten Problems und über die Dualitätstheorie der Linearen Programmierung die Herleitung von kombinatorischen Minimum-Maximum Aussagen. Unvollständige lineare Beschreibungen werden zur Gewinnung von Schranken in den Verfahren der ganzzahligen Linearen Optimierung benutzt.

Wir haben uns vor allem mit dem deterministischen Ein-Maschinen-Belegungsproblem unter gewissen Reihenfolgerestriktionen beschäftigt. Hier muß eine Menge tex2html_wrap_inline3564 von Aktivitäten auf einer Maschine ausgeführt werden. Dabei kann die Maschine zu jeder Zeit nur eine Aktivität ausführen, die Aktivitäten dürfen nicht unterbrochen werden, und zwischen einigen Aktivitäten bestehen Reihenfolgerestriktionen nach der Art: ,,a muß vor b ausgeführt werden``. Gesucht wird nun ein Belegungsplan - eine vollständige Anordnung der Aktivitäten -, der ein bestimmtes Zielkriterium optimiert.

Basispolyeder serien-paralleler Ordnungen

Motivierend für das Studium dieser Strukturen sind Reihenfolgeplanungsprobleme mit der Zielfunktion ,,Minimierung der (gewichteten) Summe der individuellen Fertigstellungszeiten``. Hier wird in einem Belegungsplan jede Aktivität mit ihrer Fertigstellungszeit bewertet, der Wert des Belegungsplanes ist die Summe der (gewichteten) Fertigstellungszeiten. Im einfachen Fall konstanter Prozeßzeiten von einer Einheit entspricht die Fertigstellungszeit einer Aktivität genau ihrer Position im Belegungsplan, wenn der Maschine keine Leerlaufzeiten zugewiesen werden. Die mit den Belegungsplänen korrespondierenden Vektoren der Fertigstellungszeiten sind genau die mit der Partialordnung verträglichen Permutationen.

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Abbildung: Eine einfache serienparallele Ordnung

Die vier Aktivitäten aus Beispiel gif mögen die Gewichte (,,relative Wichtigkeit``) tex2html_wrap_inline3572 und tex2html_wrap_inline3574 und eine Laufzeit von jeweils einer Zeiteinheit haben. Eine optimaler Plan wäre dann tex2html_wrap_inline3576 mit einem Zielfunktionswert von tex2html_wrap_inline3578.

Aufbauend auf früheren Arbeiten verschiedener Autoren zur konvexen Hülle der Fertigstellungszeitenvektoren haben wir durch Einführung supermodularer Funktionen auf serien-parallelen Partialordnungen erstmalig Supermodularität mit Reihenfolgerestriktionen verbunden. Sub- bzw. Supermodularität kann als diskretes Analogon der Konvexität verstanden werden. Sehr viele kombinatorische Optimierungsprobleme haben grundlegend eine sub- oder supermodulare Natur, mit dieser Erkenntnis können sie vielfach gelöst werden. Das Polytop der so erzielten Inzidenzvektoren linearer Erweiterungen stellt deshalb eine Verallgemeinerung wie auch eine Vereinheitlichung des Permutaeders von serien-parallelen Ordnungen und des Basispolyeders supermodularer Funktionen auf ungeordneten Mengen dar. Wir konnten für einige wichtige Problemklassen eine vollständige polyedrische Beschreibung finden. Durch die Erweiterung des Greedy-Algorithmus von ungeordneten Mengen auf partielle Ordnungen haben wir das Verfahren von Sidney (1975) der rekursiven Wahl rho-maximaler Ideale zur Lösung des Reihenfolgeplanungsproblems strukturell erklären können.

Mathematisch läßt sich die Situation wie folgt beschreiben:

Sei P = ( P, < ) eine partiell geordnete Menge und g eine supermodulare Funktion auf den Idealen von P. Jeder linearen Erweiterung tex2html_wrap_inline3586 von P ordnen wir durch tex2html_wrap_inline3590 einen Inzidenzvektor tex2html_wrap_inline3592 zu. Die konvexe Hülle der Inzidenzvektoren aller linearen Erweiterungen von P bildet das Basispolyeder tex2html_wrap_inline3596 von P und g. Die supermodulare Funktion g heißt kompatibel mit P, wenn für alle seriell-reduzierbaren konvexen Mengen tex2html_wrap_inline3606 in P und alle Ideale tex2html_wrap_inline3610, für die tex2html_wrap_inline3612 und tex2html_wrap_inline3614 auch Ideale sind, der Term
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konstant (unabhängig von I) ist. Eine Teilmenge tex2html_wrap_inline3618 heißt konvex, wenn für alle Elemente x < z aus S auch alle Elemente ,,dazwischen``, d.h. x < y < z, in S enthalten sind. tex2html_wrap_inline3628 ist seriell-reduzierbar, wenn alle Elemente von B über allen Elementen von A liegen.

Das Hauptergebnis lautet nun:


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Rüstpolyeder partiell geordneter Mengen

Die Entwicklung und das Studium dieser Polyeder ist durch die Zielfunktion ,,Minimierung der Summe der ordnungsinduzierten Rüstkosten`` motiviert. Folgen in einem Belegungsplan zwei Aktivitäten e und f unmittelbar aufeinander, die keiner Reihenfolgerestriktion unterliegen, oder ist f die erste Aktivität, so werden Rüstkosten bei f notwendig. Die Rüstkosten hängen dabei nur von f ab. Ist der unmittelbare Vorgänger von f im Belegungsplan ein notwendiger Vorgänger, so fallen keine Rüstkosten an. Der Wert des Belegungsplanes ist die Summe der angefallenen Rüstkosten. Bei reihenfolgeunabhängigen Prozeßzeiten und nichtnegativen Rüstkosten (Rüstzeiten) entspricht die Rüstkostenminimierung der Minimierung der maximalen Fertigstellungszeit.

  figure143
Abbildung: Eine Partialordnung mit einem isolierten N

In Beispiel gif mögen die Aktivitäten x, b, c und d jeweils Rüstkosten eins haben, die Aktivität a habe Rüstkosten von drei. Dann hat der Reihenfolgeplan tex2html_wrap_inline3676 insgesamt Rüstkosten drei. Der Reihenfolgeplan tex2html_wrap_inline3678 trägt Rüstkosten von vier, obwohl nur zwei anstelle von drei Rüstschritten notwendig sind.

Schon der Spezialfall konstanter Rüstkosten einer Einheit ist ein NP-schweres Problem, das sogenannte Sprungzahlproblem. Interessanterweise ist der Spezialfall konstanter Rüstkosten von minus eins polynomiell lösbar. Das Sprungzahlproblem wird seit fast 30 Jahren untersucht und manchmal zu Unrecht zu den irregulären Problemen gezählt, die wenig oder gar keine strukturellen Erkenntnisse zulassen. Die bekannten polyedrischen Modelle aus der Reihenfolgeplanung bilden das Rüstproblem nicht zufriedenstellend ab, da sie die Gutartigkeit bestimmter Klassen von Reihenfolgerestriktionen nicht berücksichtigen oder aber keine Lineare Optimierung ermöglichen. Wir haben hier zum ersten Mal ein allgemeines Modell für beliebige Rüstkosten aufgezeigt und dann eine vollständige polyedrische Beschreibung für serien-parallele und N-dünne Ordnungen entwickelt.

Dieser neue polyedrische Ansatz für ordnungsinduzierte Rüstprobleme kann in folgender Weise beschrieben werden:

Zu jeder linearen Erweiterung L einer partiellen Ordnung P definieren wir den 0-1-Inzidenzvektor tex2html_wrap_inline3592 durch tex2html_wrap_inline3688 genau dann, wenn der unmittelbare Vorgänger des Elementes e in der linearen Erweiterung L kein Vorgänger von e in der Partialordnung P ist oder wenn e das erste Element in L ist. Diese Zuordnung ist i.a. nicht injektiv. Das Rüstpolyeder tex2html_wrap_inline3702 ist die konvexe Hülle der Inzidenzvektoren aller linearen Erweiterungen von P. Hier lautet ein Hauptergebnis:


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(Dabei heißt eine Teilmenge tex2html_wrap_inline3618 heißt bipartit, wenn sie keine drei Elemente x < y < z enthält.) Die Ganzzahligkeit des Polyeders konnte mit einem ,,Box-TDI``-System gezeigt werden. Daneben mußte auch zu einem gegebenem 0-1-Vektor die Existenz einer passenden linearen Erweiterung nachgewiesen werden. Durch eine Erweiterung auf lokale N-Strukturen haben wir dann die vollständige lineare Beschreibung des Rüstpolyeders von N-dünnen Ordnungen hergeleitet. Im Gegensatz zu serien-parallelen Ordnungen ist hier das Rüstproblem selbst mit nichtnegativen Rüstkosten nicht mit dem Greedy-Algorithmus (,,Beginne mit einem beliebigen zulässigen Element und fahre mit einem teuersten Nachfolger des zuletzt gewählten Elementes fort, wenn dies möglich ist, anderenfalls wähle ein beliebiges zulässiges Element``) lösbar.

Eines der interessanten offenen Probleme ist das Erkennungsproblem für Inzidenzvektoren von linearen Erweiterungen beliebiger Partialordungen:


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Interessant, schwer und bisher unbeantwortet ist auch die Frage nach der Aufnahme individueller Fertigstellungszeiten in dieses Modell, das die Minimierung der Durchlaufzeiten ermöglichen könnte.


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Webmaster <www@zpr.uni-koeln.de>, 7. Apr. 1997